Christoph Erni, Gründer und CEO, Juice Technology AG

Welche Herausforderungen sehen Sie derzeit auf dem Markt für Ladestationen in der Schweiz?

Aufklärungsarbeit im B2B-Markt: Der Markttrend hat sich klar in Richtung Geschäftskundensektor verschoben. Allerdings besteht bei vielen Bauträgern, Institutionen und Unternehmen noch Orientierungsbedarf, da einzelne Branchen ihre Verantwortung für den Ausbau der Ladeinfrastruktur und das damit verbundene wirtschaftliche Potenzial nicht erkennen und sich deshalb mit der Anschaffung noch zurückhalten. Es gibt aber auch innovative Firmen, die sich für einen echten Fortschritt engagieren und Impulse setzen.

Nutzerfokus bei der Produktentwicklung: Umso wichtiger ist es, die Bedürfnisse der Nutzer zu verstehen. So haben wir in Zusammenarbeit mit Logistikunternehmen die Ladestation JUICE CHARGER me 3 weiterentwickelt und eine Version mit einem 14 Meter langen Kabel realisiert, das zum Laden nicht notwendigerweise von der schwenkbaren Trommel abgerollt werden muss.

Qualität und Zukunftssicherheit: Normkonformität und eine gute Fertigungsqualität werden allzu oft unterschätzt. Dabei bieten sie insgesamt ein höheres Mass an Sicherheit. Bei Ladestationen, die in der Schweiz hergestellt werden, kann man sich darauf verlassen, dass sie gut durchdacht und zukunftssicher sind – so zumindest unsrige: Sie sind mechanisch robust, die Elektronik ist transparent und sie werden auf lange Zeit hinaus mit Software-Updates versorgt. Bemerkenswert ist übrigens, dass sie nicht unbedingt teurer sein müssen als im Ausland hergestellte.

Standards für mehr Sicherheit: Der regulatorische Rahmen für den Ladestationsmarkt entwickelt sich ständig weiter – sowohl technisch als auch auf politischer Ebene. Das kann zu Unsicherheiten und Verzögerungen bei der Umsetzung von Projekten führen. Wir engagieren uns von der ersten Stunde an in den entsprechenden nationalen respektive internationalen Normenkomitees und sorgen dafür, dass sinnvolle technische Lösungen zu mehr Sicherheit und somit Vertrauen der Nutzer in die Technologie führen. Ein gutes Beispiel dafür ist, dass die aktive Temperaturüberwachung in Haushaltssteckern, wie sie bei unseren JUICE BOOSTER 2 und 3 air längst Standard ist, ab diesem Jahr für mobile Ladestationen normativ festgeschrieben ist.

Dämpfung der Investitionskosten: Die Finanzierung von Ladestationen ist auch ein wichtiges Thema. Es braucht innovative Finanzierungsmodelle, um die hohen Anfangsinvestitionen zu stemmen. Abhilfe schaffen hier Mietmodelle, die die Initialkosten minimieren und das Risiko deutlich reduzieren, da die Investitionskosten von vornherein kalkulierbar sind.

Cybersicherheit: Die Cybersicherheit ist ein wichtiger Aspekt der Ladeinfrastruktur. Sie wird jedoch noch immer nicht angemessen beachtet. Wir unterziehen unsere Ladestationen immer wieder Sicherheitstests durch interne und externe Experten. Dabei wird etwa die sichere Verbindung zu den Servern unserer Cloud-Anbindung überprüft, die unter anderem relevante Ladedatenauswertungen für Flottenmanager bereitstellt.


Wie wird sich der Schweizer Markt für Ladestationen in den kommenden zwei Jahren entwickeln?

Der Anteil der Elektrofahrzeuge an den Neuzulassungen in der Schweiz lag im vergangenen Jahr bereits bei über 30 % (BEV 20.9 % und PHEV 9.2 %) und wird bis Ende 2025 voraussichtlich auf 50 % ansteigen. Hauptgrund für diesen unaufhaltsamen Aufwärtstrend ist, dass immer mehr günstige E-Autos auf den Markt kommen – insbesondere von chinesischen Herstellern.

Gleichzeitig werden BEV auch für gewerbliche Flotten immer wichtiger – von Geschäftsautos über Nutzfahrzeuge bis hin zu Mietwagen. Ihr Anteil an den Neuzulassungen wird von 10 bis 15 % auf über 45 % bis Ende 2025 anwachsen. Ökologische Verpflichtungen der Unternehmen mögen diesen Trend befeuern. Ausschlaggebend sind letztlich ökonomische Überlegungen. Schliesslich führt eine Elektrofahrzeugflotte in der Gesamtkostenbetrachtung (TCO) zu deutlichen Kosteneinsparungen.

Das sind also hervorragende Aussichten für Ladeinfrastrukturhersteller wie uns und die gesamte Branche. Die Nachfrage nach innovativen Ladetechnologien mit nutzerfreundlicher Software und smartem Lastmanagement, die ein netzdienliches Laden von Elektrofahrzeugen ermöglichen, reisst nicht ab.


Was wünschen Sie sich von der Schweizer Elektro-Installations-Branche?

Normkonformität als oberste Priorität: Es braucht einen klaren Fokus auf Sicherheit. Der Skandal um einen bekannten ausländischen Hersteller vor einem Jahr hat eindrucksvoll gezeigt, dass Popularität kein Garant für Sicherheit ist. Wünschenswert wäre ein klares Statement der Branche, worauf bei der Auswahl von Wallboxen zu achten ist. Ladestationen müssen wasserdicht, robust und garantiert normkonform sein.

Zeit ist Geld: Die Installationszeit sollte nicht mehr als wenige Minuten in Anspruch nehmen – und zwar unabhängig von der Montageart, also Aufputz, Unterputz oder auf einer Stele. Für mehr Flexibilität bei der Montage ist die gesamte Elektronik im Idealfall auf einer separaten Rückplatte montiert. So lässt sich die Wallbox immer in Richtung der Zuleitung ausrichten. Wichtig ist, dass sämtliche Anschlussleitungen manipulationssicher verbunden sind. Grundsätzlich sollten Installation und Inbetriebnahme auch ohne Anleitung intuitiv, schnell und fehlerfrei vonstattengehen. Das spart Installationsbetrieben Zeit und Aufwand. Eine möglichst wartungsfreie Lösung ist besonders im Hinblick auf die vollen Auftragsbücher bei gleichzeitigem Fachkräftemangel entscheidend. Die Installationsbetriebe sollen ihre wertvolle Zeit nicht mit Nacharbeiten, Reparaturen und Auswechslungen vergeuden. Deshalb sollten sie von Anfang an auf die richtige Lösung setzen. Die Wahl eines Schweizer Produkts könnte hier sinnvoll sein – so hat man immer einen direkten Draht zum Hersteller.

Fachkräftemangel: Die Elektroinstallations-Branche muss dem Mangel an Fachkräften, die Ladestationen installieren und warten, aktiv entgegenwirken. Hier sind verstärkte Anstrengungen der Industrie und Verbände erforderlich, um die Attraktivität und Zukunftssicherheit dieser Berufe zu vermitteln. Eine gezielte Ausbildungsoffensive zu starten, wäre auch eine Option.


Bidirektionales Laden, Hype oder Zukunft?

Aktuell ist bidirektionales Laden Zukunftsmusik, denn noch gibt es nur wenige Fahrzeuge auf dem Markt, die bidirektional laden können. Ebenfalls muss sich noch zeigen, wie sich bidirektionales Laden im Alltag bewährt. «V2X Suisse», ein erster Grossversuch dazu an 40 Standorten in der ganzen Schweiz, der von Mobility und weiteren Partnern 2022 lanciert wurde, lief bis März 2024. Wir sind gespannt auf die Publikation der Auswertungen.

Man muss sich jedenfalls darüber im Klaren sein, dass bidirektionale Ladetechnik aufwändiger ist als die unidirektionale und entsprechend teurer. Um den Energiefluss in beide Richtungen zu ermöglichen und gleichzeitig die Sicherheit und Stabilität des Stromnetzes zu gewährleisten, benötigen die Ladestationen nebst einem beidseitigen FI-Schutz etwa einen Wechselrichter mit einem Sinuswandler, der die Stromfrequenz mit dem Netz synchronisiert. Diese Komplexität erfordert eine Kooperation zwischen Netzbetreibern, Fahrzeug- und Ladestationsherstellern sowie umfangreiche Tests. Darüber hinaus ist eine klare Regulierung und Normierung erforderlich. Auf diese Weise können wir frühzeitig dafür sorgen, dass künftige bidirektionale Ladestationen sicher und einwandfrei funktionieren.


Der Bundesrat hat die Förderung von privaten Ladestationen abgelehnt. Ihre Meinung dazu?

Das ist ein Zeichen von Vernunft. Zahlreiche Kantone und Gemeinden gewähren nach wie vor Förderungen für Privatpersonen und Unternehmen. Viele Kantone subventionieren zudem Elektroautos mit einem Steuerbonus auf die Fahrzeugsteuer. So viel umverteiltes Steuergeld sollte doch genügen.

Grundsätzlich sind zeitlich limitierte Subventionen nichts weiter als Strohfeuer: Ihre Wirkung verpufft innert kurzer Zeit. Sobald die staatlichen Subventionen eingestellt werden, rasseln die Absatzzahlen jeweils in den Keller. So geschehen in Deutschland, wo die Verkaufszahlen von E-Autos letzten Dezember nur noch etwa halb so hoch waren wie im Rekordjahr 2022. Dasselbe geschah auch nach Auslaufen der kfW-Förderung für Ladestationen. Wirtschaftlich ist es desaströs, wenn sich Unternehmen nicht auf einen stetigen Absatz einstellen können. Kunden andererseits reagieren irritiert, wenn eine Förderung wegfällt. Sie haben das Gefühl, einen guten Deal verpasst zu haben.

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