Christian Müller, General Manager Schweiz, The Mobility House AG

Welche Herausforderungen sehen Sie derzeit auf dem Markt für Ladestationen in der Schweiz?

Hier gilt es, zwischen AC-Wallboxen und DC-Ladestationen zu unterscheiden. V.a. der Wallbox-Markt ist aktuell enorm unter Druck und es gibt zahlreiche Hersteller und Produkte. Oftmals kann hier daher die Wahl eines passenden und den Kundennanforderungen entsprechenden Produkts eine Herausforderung für Elektroinstallationsbetriebe sein.

Aus technologischer Sicht gibt es verschiedene proprietäre Lösungen, die in sich selbst optimiert und somit aus Installationssicht zwar sehr einfach und günstig sind – gerade im Segment der Einstellhallen – aber das Problem mit sich bringen, dass sie aufgrund fehlender offener Schnittstellen bzw. Standards (z.B. OCPP) nur sehr eingeschränkt skalierbar bzw. zukunftsfähig sind. Diesem Aspekt wird m.E. bei der Lösungsauswahl seitens der Installationsbetriebe und Kund:innen noch zu wenig Gewichtung geschenkt.


Wie wird sich der Schweizer Markt für Ladestationen in den kommenden zwei Jahren entwickeln?

Der Markt für unidirektionale AC-Wallboxen wird weiterhin umkämpft bleiben. Ich gehe daher davon aus, dass eine weitere Konsolidierung – welche bereits gestartet ist –stattfinden wird: Im Jahr 2023 zeigte sich mit verschiedenen Insolvenzen bei Ladestationsherstellern, welcher Wettbewerb mittlerweile vorherrscht.

Bei den DC-Stationen sehe ich hingegen erhebliches Potential, in der Schweiz v.a. auch getrieben durch die Elektrifizierung in der Transport- & Logistikbranche. Dort wird immer mehr Hochleistungs-Ladeinfrastruktur (HPC – High Performance Charging) mit über 300kW Ladeleistung nachgefragt. Auch aus technologischer Sicht werden zunehmend bidirektionale Ladestationen zu «vernünftigen» Preisen auf den Markt kommen.


Was wünschen Sie sich von der Schweizer Elektro-Installations-Branche?

Die Elektroinstallationsunternehmen in der Schweiz sind ein Schlüsselelement, um die Ladeinfrastruktur bei den Kund:innen auszurollen. Da die Schweiz ein Volk von Mieter:innen (ca. 56 Prozent) ist sowie weitere rund 12 Prozent der Bevölkerung in Stockwerk-/ Miteigentum leben, kommt insbesondere der Ladeinfrastruktur in Einstellhallen eine zentrale Bedeutung zu.

Im Regelfall werden dort die Ladestationen bedarfsgerecht über mehrere Jahre hinweg ausgebaut. Es ist daher essenziell, Ladeinfrastrukturlösungen von Beginn weg ganzheitlich, skalierbar, zukunftsorientiert und somit kostenoptimiert zu planen und auszulegen, auch wenn in einem initialen Schritt erst wenige Ladepunkte pro Einstellhalle benötigt werden.

Das «Herzstück» einer solchen Anlage stellt ein herstellerneutrales und somit offenes sowie unabhängiges Lade- und Energiemanagementsystem mit lokaler dynamischer Lastmanagementfunktion dar. Dieses System – ein gutes Beispiel ist ChargePilot von The Mobility House – steuert über die lokale OCPP-Schnittstelle die einzelnen Ladepunkte und stellt sicher, dass die Fahrzeuge zu jedem Zeitpunkt zuverlässig und kostenoptimiert geladen werden. Und dies komplett unabhängig vom jeweiligen Ladestationshersteller.

Wir sehen zwar zunehmend, dass Elektroplaner:innen und -installateur:innen bei der Projektierung solche Aspekte berücksichtigen. Wir wünschen uns jedoch, dass die Branche noch konsequenter auf offene Ladesysteme setzt, um für Endkund:innen eine nachhaltige und skalierbare Lösung sicherzustellen. Denn so wird das Risiko eines „Stranded Assets“ für den/die Eigentümer:in möglichst geringgehalten.


Bidirektionales Laden, Hype oder Zukunft?

Mit dieser Frage sind Sie bei The Mobility House genau richtig, denn das ist der Kernpunkt unserer Vision: Für uns ist das keine Zukunft, sondern mittlerweile «Realität». Die Integration des Elektrofahrzeuges in das Stromnetz, im Fachjargon auch als «Vehicle-to-Grid» (V2G) bezeichnet, stellt ein zentrales Element der Energiewende für eine emissionsfreie Zukunft dar.

Dabei fungiert die Batterie des Elektrofahrzeuges als Speicher, um das Stromnetz zu stabilisieren. Immer mehr Fahrzeuge unterstützen das bidirektionale Laden, sprich, sie können nicht nur Energie aufnehmen, sondern diese auch wieder ins Netz zurückspeisen. Bei The Mobility House haben wir in einem Feldversuch in Deutschland gezeigt, dass mittels bidirektionalem Laden Geld verdient werden kann.

Konkret liessen sich über 650 Europro Fahrzeug und Jahr erwirtschaften. Zusammen mit Mobilize, einer Marke der Renault Group, bieten wir ab diesem Jahr das erste kommerzielle V2G-Produkt an, zunächst in Frankreich, Deutschland und ab 2025 in Grossbritannien.


Der Bundesrat hat die Förderung von privaten Ladestationen abgelehnt. Ihre Meinung dazu?

Grundsätzlich ist eine erfolgreiche Durchdringung der Elektromobilität weniger ein Thema der reinen Förderung, sondern vielmehr der entsprechenden Rahmenbedingungen. Mit der Umstellung auf Elektrofahrzeuge findet das «Tanken» v.a. dort statt, wo die Fahrzeuge stehen, nämlich zu Hause oder am Arbeitsplatz.

Wie bereits eingangs erwähnt, lebt der grösste Teil der Schweizer Bevölkerung nicht  in einem eigenen Einfamilienhaus, sondern zur Miete oder im Stockwerkeigentum. In vielen Fällen wird aber gerade Bewohner:innen von Mehrparteiengebäuden die Installation einer Ladestation untersagt. Das darf nicht sein, da dies ein zentrales Hindernis für die Elektromobilität darstellt. Es sind daher verbindliche Rahmenbedingungen zu schaffen, welche einen diskriminierungsfreien Zugang zu Ladeinfrastruktur im Heimbereich ermöglichen.

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