Über die Realisierung eines ZEV

Interview mit Dr. Sandra Probst von Energie Zukunft Schweiz AG über die Planung und Realisierung eines ZEV

PV-Anlage Vogelperspektive

Über die Realisierung eines ZEV

Interview mit Dr. Sandra Probst von Energie Zukunft Schweiz AG über die Planung und Realisierung eines ZEV

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 Photo by Chuttersnap on Unsplash

Für Bauherren und Eigentümer, die einen ZEV realisieren möchten, gibt es von der Planung mit dem Elektroplaner bis hin zum Betrieb einiges zu beachten. Im Interview mit eTrends gibt Dr. Sandra Probst von Energie Zukunft Schweiz AG darüber Auskunft und zeigt das Entwicklungspotenzial sowie politische Rahmenbedingungen rund um ZEV auf.

Dr. Sandra Probst - Energie Zukunft Schweiz AG
Dr. Sandra Probst von Energie Zukunft Schweiz AG im Interview mit eTrends

Die Preise, die in der Schweiz für die Einspeisung von Solarstrom bezahlt werden, sind leider zu tief, um Solaranlagen nur damit wirtschaftlich effizient betreiben zu können. Deswegen ist es naheliegend, den produzierten Solarstrom möglichst selbst zu verbrauchen. Was im Einfamilienhaus mit einer «einfachen» Batterielösung realisiert werden kann, erfordert im Mehrfamilienhaus einen Zusammenschluss für den Eigenstromverbrauch (ZEV). Bei der Vernetzung mehrerer Liegenschaften innerhalb eines Quartiers wird das Ganze noch komplexer.

Wir haben bei Energie Zukunft Schweiz, Herausgeberin der Studie «Zusammenschluss zum Eigenverbrauch von Solarstrom auf Arealen» nachgefragt, welches Potenzial ZEV-Anlagen vom Mehrfamilienhaus bis hin zum Areal haben und wer die Markttreiber dahinter sind oder sein sollten.


Besitzer von Solaranlagen möchten Solarstrom selber nutzen

Die erste Frage hat nicht direkt mit ZEV zu tun: EnergieSchweiz geht davon aus, dass bereits jedes fünfte Einfamilienhaus, das über eine PV-Anlage verfügt, einen Batteriespeicher nutzt. Ist diese Zahl nicht etwas hoch?

Vielen Besitzern von Einfamilienhäusern ist es wichtig, einen möglichst hohen Eigenverbrauchsgrad zu erzielen, das heisst, sie möchten den Solarstrom selber nutzen. Die Wirtschaftlichkeit ist ihnen etwas weniger wichtig, weshalb sich Batterielösungen bei Einfamilienhäusern schon stark durchgesetzt haben, obwohl sie meist nicht oder nur knapp rentabel sind. Deshalb denke ich, dass die Zahl realistisch ist.

Entwicklung von ZEV bei Mehrfamilienhäusern

Im Einfamilienhaus bestimmt der Bauherr. Wie sieht das bei einem Mehrfamilienhaus aus? Wer ist hier typischerweise der Initiator eines ZEV?

Auch in einem Mehrfamilienhaus bestimmt der Eigentümer des Gebäudes über den Bau einer Solarstromanlage und die Bildung eines ZEV. Eigentümer können Privatpersonen sein oder auch institutionelle Immobilienbesitzer, wie z.B. Versicherungen oder Pensionskassen.

Wie sehen Sie die Entwicklung von ZEV, sind sie in naher Zukunft Standard bei Mehrfamilienhäusern?

Der Ausbau von Solarstrom in der Schweiz ist ein grosses Thema und steht auf der politischen Agenda. Beim Neubau von Mehrfamilienhäusern wird heute fast immer der Bau einer PV-Anlage geprüft und häufig auch umgesetzt. Ob sich der ZEV als Standard durchsetzt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie den rechtlichen Rahmenbedingungen, den Strompreisen und vielem mehr. Beim Bestandesbau sind es momentan die Lösungen der Energieversorger, das so genannte VNB-Praxismodell, die sich am ehesten durchsetzen: Die Messung und Abrechnung des Solarstroms wird je nach Standort komplett vom lokalen Verteilnetzbetreiber (VNB) übernommen, was den Vorteil hat, dass die Administration einfach ist. Deshalb nehme ich nicht an, dass bereits in naher Zukunft alle Mehrfamilienhäuser einen ZEV bilden. Die Regelungen bezüglich ZEV auf Arealen sind allerdings nach wie vor im Wandel, und ich bin gespannt, in welche Richtung sich der Markt entwickelt.


Ergänzender Artikel zu ZEV (Erklärung)

«ZEV - DEN STROM MIT DER GEMEINSCHAFT TEILEN»

Was ZEV bedeutet und wie es funktioniert erfahren Sie in diesem Artikel.

Ausserdem ZEV-Broschüren und Dokumente von EnergieSchweiz zum Download. 


Realisierung eines ZEV in einer Eigentümergemeinschaft

Welches Vorgehen empfehlen Sie einer Eigentümergemeinschaft, die in ihrer Überbauung einen ZEV realisieren möchte?

Zunächst gilt es, die Machbarkeit zu klären. Mit dem Online-Tool «Quick-Check» lässt sich eine erste Einschätzung machen. Die nächsten Schritte sind das Einholen einer Richtofferte, das Optimieren des Eigenverbrauchs, die Abschätzung der Wirtschaftlichkeit und anschliessend die Gründung eines ZEV. Unsere Broschüre «Solarstrom Eigenverbrauch: Neue Möglichkeiten für Mehrfamilienhäuser und Areale» erklärt das Vorgehen auf einfache Art und Weise, die genauen Details sind im «Leitfaden Eigenverbrauch» von EnergieSchweiz nachzulesen.

Wer definiert, wie die Administration und die Abrechnung gemacht werden?

Der Betreiber des ZEV (in der Regel der Gebäudebesitzer) bestimmt, wie die Administration und die Abrechnung des selbst produzierten Solarstroms geschehen, das heisst, er erarbeitet ein Betriebskonzept. Grundsätzlich muss unterschieden werden, ob es sich um eine kommerziell genutzte oder um eine Wohnliegenschaft handelt. Beim gewerblichen Einzelmieter sind Messung und Abrechnung des Solarstroms relativ einfach. Bei mehreren Mietern ist die Situation anspruchsvoller, die Abrechnung kann grossen Einfluss auf die Betriebskosten und damit die Wirtschaftlichkeit der Projekte haben. Der Bauherr steht hier meist vor der Entscheidung, ob er einen ZEV gründet oder ob er das Modell des lokalen Verteilnetzbetreibers (VNB-Praxismodell) anwendet. Je nach lokalen Rahmenbedingungen kann das eine oder das andere günstiger sein. Um dem Bauherrn die Entscheidung zu erleichtern, erstellt Energie Zukunft Schweiz zusammen mit EnergieSchweiz jährlich eine Übersicht über die Angebote der Abrechnungslösungen (Download Broschüre).

ZEV Grafik
Mehrere Haushalte schliessen sich zum ZEV zusammen, um den produzierten Solarstrom zu teilen. (Animation: eTrends)

Aufgaben des Elektroplaners

Welche Rolle spielt der Planer bei der Einrichtung eines ZEV?

Vor allem beim Neubau ist die Zusammenarbeit mit dem Elektroplaner wichtig: Er sollte das Betriebskonzept (Mess- und Abrechnungslösung) frühzeitig in seine Gesamtplanung des oder der Gebäude aufnehmen. Es gibt viele Schnittstellen zwischen der allgemeinen Haus- und Elektrotechnik und dem technischen Betrieb der Photovoltaikanlage, die beachtet werden müssen. Dazu gehören sowohl die Hardware (Zählertyp und Anzahl) als auch die Software (Energiemanagementsystem), die gesamtheitlich betrachtet und von vornherein aufeinander abgestimmt werden müssen. Der Elektroplaner muss den Überblick über alle beteiligten Installateure behalten und ist verantwortlich für die Abstimmung und Kommunikation zwischen ihnen.

Gibt es Hilfsmittel und Richtlinien, die es Planern erleichtern, solche Anlagen zu konzipieren und auszuschreiben?

Häufig sind die Fragestellungen rund um die ZEV sehr komplex und interdisziplinär. Es geht darum mietrechtliche, wirtschaftliche, administrative und technische Aspekte zu einer optimalen Gesamtlösung zu vereinen. Die Herangehensweise hängt deshalb stark von den projektspezifischen Rahmenbedingungen ab, sodass verschiedene Lösungsansätze geprüft
werden sollten. Empfehlen können wir folgende Hilfsmittel, die jedoch vor allem für Gebäudeeigentümer entwickelt wurden:

  • «Sonnendach»: Die interaktive Anwendung des Bundesamts für Energie gibt einen ersten Überblick über das Solar-Energiepotenzial von Hausdächern.
  • Unsere Broschüre «Solarstrom Eigenverbrauch»: Neue Möglichkeiten für Mehrfamilienhäuser und Areale» erklärt die Grundlagen für Gebäudebesitzer.
  • Der «Leitfaden Eigenverbrauch» von EnergieSchweiz beschreibt alle Details.
    Ausserdem gibt es von Swissolar ein Excel-Formular, das die Berechnung der Tarifkosten für den selbst produzierten Strom erleichtert.

Alle Broschüren zum Download am Ende des Artikels: «ZEV - DEN STROM MIT DER GEMEINSCHAFT TEILEN»

PV-Anlage auf Industriehalle

Wie sich ZEV im Markt entwickelt

Gibt es für ZEV schon marktreife Produkte, auf die sich Interessenten stützen können?

Heute, gut zwei Jahre nach Einführung des ZEV, bieten diverse Unternehmen die Messung und Abrechnung als Dienstleistung an, z.B. lokale Energieversorger oder spezialisierte Anbieter von ZEV-Lösungen. Für einen ersten Überblick kann unsere Übersicht zu den Abrechnungslösungen hinzugezogen werden, die gemeinsam mit EnergieSchweiz erstellt wurde.
Bei grösseren oder komplexeren Projekten ist es sinnvoll, einen neutralen Berater hinzuzuziehen, der die verschiedenen Abrechnungslösungen mit Bezug auf die spezifische Projektsituation evaluiert. Ein verlässlicher Kosten-Nutzen-Vergleich kann anspruchsvoll sein, da die Preismodelle der einzelnen Angebote teilweise sehr unterschiedlich strukturiert sind. Bei der Evaluation der Lösungen gilt es auch zu klären, was passiert, wenn der Anbieter in ein paar Jahren nicht mehr existieren sollte. Dies ist ein durchaus realistisches Szenario in einem so jungen und dynamischen Markt. Für diesen Fall sollte sichergestellt sein, dass mit möglichst geringem Aufwand eine Umstellung auf ein anderes System möglich ist. Das bedeutet beispielsweise, dass die Zähler über standardisierte Schnittstellen verfügen.

Noch eine Frage zur Studie: Wie zufrieden sind Sie mit der Marktentwicklung in den ersten beiden Jahren seit Inkrafttreten des neuen Energiegesetzes?

Der Markt für PV allgemein sendet erfreuliche Signale. Nach einem starken Einbruch zwischen 2014 und 2017 nimmt der Ausbau von Photovoltaik in der Schweiz wieder zu. Jedoch reicht die Zunahme noch nicht aus, um die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen. Mit ZEV soll eine Erhöhung des Eigenverbrauchs ermöglicht werden, was vor allem grosse PV-Projekte wirtschaftlich interessant machen dürfte. Jedoch ist die Zunahme bei den ZEV eher verhalten, die neuen Möglichkeiten von gebäudeübergreifenden ZEV haben den Zubau nicht wie gewünscht gefördert. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass diese neuen Möglichkeiten hauptsächlich bei Neubauten zum Tragen kamen. Das deutlich grössere Potenzial liegt jedoch im Bestandsbau.

«Die grössten Hürden bei gebäudeübergreifendem Eigenverbrauch liegen bei der Netzinfrastruktur.»

Wer müsste wo aktiv werden, um arealweite ZEV noch stärker zu etablieren?

Die grössten Hürden bei gebäudeübergreifendem Eigenverbrauch liegen bei der Netzinfrastruktur. Der Anschluss der einzelnen Gebäude an das öffentliche Netz ist normalerweise nicht kompatibel mit der Einrichtung eines gesetzeskonformen ZEV. Der Umbau verursacht hohe Kosten, was die Rentabilität der Projekte schmälert. Bei der Befragung verschiedener Akteure im Rahmen der Studie sowie bei der Projektentwicklung von EZS haben sich folgende Lösungen abgezeichnet:

  1. Momentan sind Projekte mit dem lokalen Energieversorger als Partner am einfachsten umzusetzen. Da ist man aber darauf angewiesen, dass er die Messung und Abrechnung des Solarstroms anbietet. Mehr innovative Angebote von Energieversorgern können die Areal-ZEV fördern.
  2. Einfach umsetzbare Angebote der Energieversorger sollten bestehen bleiben. Die ElCom hat letzten Herbst die Anforderungen an VNB-Modelle erhöht, was zwar rechtlich teilweise nachvollziehbar ist, aber natürlich nicht im Sinne der Förderung der Solarenergie ist.
  3. Die Regulierung sollte vereinfacht werden, zum Beispiel im Rahmen der Überarbeitung des StromVG, die im Gange ist. Zum Beispiel könnte ermöglicht werden, Solarstrom gegen ein Entgelt über das Netz des Energieversorgers an benachbarte Gebäude zu verkaufen.
Installation einer PV-Anlage
Elektroinstallateure beim Installieren von Solarpanels.(Quelle: eTrends)

Hürden und politische Einflüsse auf den Solarstrom Eigenverbrauch

Welche Hürden haben Sie sonst noch entdeckt?

Eine weitere Hürde ist, dass Architekten, Eigentümer und Bauherren häufig noch nicht über die neuen Möglichkeiten Bescheid wissen. Dass Solarstromanlagen auf Mehrfamilienhäusern und Gewerbebetrieben dank gemeinsamem Eigenverbrauch häufig wirtschaftlich interessant sind, erstaunt noch immer viele Akteure. Da besteht, auch von unserer Seite, in der Kommunikation Nachholbedarf.

Wie beurteilen Sie die schweizerische Politik bezüglich der Förderung von Solarenergie allgemein? Was würden Sie sich wünschen?

Vom Bund gibt es einen Investitionsbeitrag, die sogenannte Einmalvergütung, welche die Investitionskosten senkt und es ermöglicht, viele PV-Anlagen rentabel zu betreiben. Da viele PV-Anlagen zusätzlich über den Eigenverbrauch finanziert werden, reicht diese Förderung aber für grosse Anlagen mit wenig Eigenverbrauch nicht aus. Eine weitere Förderung für grosse Anlagen ist wünschenswert und gemäss unserer Kenntnis auch bereits in Planung, das freut mich.
Wichtig ist daneben auch das Verhalten der Kantone und Gemeinden. Nicht unbedingt in Bezug auf die Förderung, obwohl gewisse Kantone die Einmalvergütung aufstocken. Kantone und Gemeinden sind Vorbilder der Energiewende, sie machen die Solarenergie für die Bevölkerung fassbar. Wenn auf gemeindeeigenen Gebäuden, zum Beispiel auf der Schule, Solaranlagen installiert werden, haben die Bürger einen direkten Bezug dazu und können motiviert werden, ebenfalls aktiv zu werden. Ich würde mir wünschen, dass viele Gemeinden diese Möglichkeiten nutzen. Wir haben auch schon Gemeinden beim Aufbau eines Bürgerbeteiligungsmodells unterstützt. Dabei können auch Bürger ohne geeignetes Dach von der Solarenergie profitieren. Dies ist eine schöne Möglichkeit, die Bevölkerung miteinzubeziehen.

Dr. Sandra Probst



Dr. Sandra Probst hat an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaften und Mikrobiologie studiert und eine Doktorarbeit in Mikrobiologie verfasst. Seit 2018 ist sie Teil des Solarteams von Energie Zukunft Schweiz AG . In dieser Funktion hat sie diverse Studien für das Bundesamt für Energie (EnergieSchweiz) als Co-Autorin verfasst und begleitet vor allem Gemeinden und die öffentliche Hand bei Solarstrom-Projekten.

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